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20.08.2015, 15:30 Uhr | Michael Vietz MdB
Europäische Solidarität im deutschen Interesse
Meine Entscheidung zum dritten Hilfspaket für Griechenland
Nachdem ich am 17. Juli für weitere Verhandlungen mit der griechischen Regierung gestimmt habe, denn Verhandlungen sollte man sich nie verschließen, habe ich am 19. August in der Sondersitzung des Bundestages dem Verhandlungsergebnis und damit dem dritten Hilfspaket für Griechenland zugestimmt.

In meinen Augen liegen diese Hilfen auch im deutschen und europäischen Interesse, die Rahmenbedingungen versprechen eine gute Chance. Die Alternativen beinhalten nach meiner Einschätzung jedoch auch für uns ein hohes Risiko. Es kann niemanden daran gelegen sein, dass sich Griechenland zu einem gescheiterten Staat an der Südost-Flanke von EU und NATO entwickelt.
 
Griechenland-Hilfe ist auch in unserem Interesse
Natürlich haben die griechischen Regierungen der letzten Jahre in unterschiedlicher politischer Couleur nicht unbedingt daran gearbeitet, das Vertrauen in die Reformfreudigkeit des Landes zu erhöhen. Und auch die aktuelle Regierung unter Alexis Tsipras reiht sich hier mit ein. Allerdings habe ich ein hohes Vertrauen in das Verhandlungsergebnis, das durch die deutliche Haltung von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, sowie zahlreicher weiterer EU-Staaten zustande gekommen ist.
 
Den so genannten "Grexit" (Ausstieg Griechenlands aus dem Euro), gerne als Allheilmittel propagiert, sehe ich durchaus kritisch. Nicht nur, dass ich eine Verbesserung der griechischen Wettbewerbsfähigkeit durch eine Rückkehr zur Drachme eher skeptisch beurteile. Auch die Auswirkungen auf das restliche Europa ist nicht zu unterschätzen. Selbst wenn wir einen Grexit und das Fälligwerden so mancher Bürgschaft vielleicht gut verkraften können, mag ich diese Sicherheit bei den anderen beteiligten EU-Staaten nicht garantieren. 
 
Unabhängig von der Tatsache, dass allein Griechenland den Austritt aus dem Euro beschließen kann und dieser dort nicht gewollt ist. Das Land bliebe weiterhin Mitglied der EU und über humanitäre Hilfe und/oder die EU-Strukturfonds wären weiterhin Milliardenhilfen für Griechenland geboten. Ein Hinausdrängen Griechenlands aus dem Euro, oder gar ein unkontrollierter Grexit, hätte darüber hinaus erhebliche politische Auswirkungen auf die Europäische Union, die angesichts der Herausforderungen, vor denen Europa steht, verheerend wären. Unter Abwägung der Alternativen halte ich die Unterstützung des dritten Hilfspakets für geboten und für das geringere Risiko.  
 
Das nunmehr beschlossene Hilfspaket setzt weiterhin auf eine disziplinierte Haushaltsdisziplin durch die griechische Regierung, sowie auf Strukturreformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung der Wirtschaft. Verbunden mit klaren Kontrollmechanismen, die regelmäßig den Fortschritt überprüfen und bewerten. Hier vertrauen ich den damit betrauten Institutionen, ebenso wie ich darauf vertraue, dass der IWF ab Oktober auch seinen Weg in dieses Hilfspaket findet. Denn die Beteiligung und die Expertise des IWF halte ich genauso wie die Bundesregierung für unabdingbar.
 
Aber unabhängig von den wirtschaftlichen Erwägungen, muß jedem klar sein, dass Griechenland auch bei einer Verweigerung eines Hilfspakets und den daraus resultierenden Folgen, natürlich weiterhin Mitglied in der EU und der NATO bleibt. Die Frage an alle Gegner eines Hilfspakets muß erlaubt sein: wollen wir einen gescheiterten und ins Chaos abgleitenden Staat an der Südost-Flanke unseres Kontinents? 
 
Europa und die EU, und damit auch wir, stehen vor zahlreichen Herausforderungen, bei denen wir Einigkeit und Solidarität bewahren müssen, wenn wir diesen erfolgreich begegnen wollen. Der Ukraine-Russland-Konflikt. Der Bürgerkrieg in Syrien. IS in Syrien und Irak. Die schwierige Situation in Nahost. Die Auswirkungen des mit viel Hoffnung gestarteten und im Wesentlichen gescheiterten "Arabischen Frühlings". Und natürlich ganz aktuell und dringend, die hohe Anzahl von Flüchtlingen, die nicht nur aus diesen Regionen nach Europa und zum großen Teil nach Deutschland als "Land ihrer Hoffnungen" kommen. Daher muß uns auch aus diesen Gründen an einer griechischen Stabilität gelegen sein.
 
Ein großer Teil des jetzigen Hilfspaket dient im Übrigen der Umschuldung bestehender Kredite. Aus Deutschland ist im Rahmen der bisherigen Hilfsprogramme bislang kein Euro nach Griechenland geflossen, der deutsche Beitrag beschränkt sich in diesen Programmen - wie auch der anderer Staaten der Eurozone - auf Bürgschaften für die geflossenen Darlehen. Daher geht auch das Argument fehl, dass man diese Finanzmittel viel besser in Deutschland einsetzen könne. Bei einer Entscheidung gegen diese Griechenland-Hilfen wäre kein einziger zusätzlicher Cent in Deutschland ausgegeben worden.
 
Kein Kollege und keine Kollegin hat sich diese Entscheidung leichtgemacht. Die Gewissensfreiheit und das freie Mandat erfordern bei jeder Entscheidung eine ausgiebige Abwägung. Egal ob es am Ende ein "Ja", "Nein" oder eine "Enthaltung" zum Ergebnis hat. Man mag die jeweilige Einschätzung teilen oder nicht, aber zum Respekt gehört es, diese zu akzeptieren und zu respektieren.
 

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